Ich habe eine kleine emotionale Reise zurück in die Anfangszeit mit Goldy gemacht – ausgelöst durch alte Bilder und Videos. Goldy mit Jährig und ich mit 22 Jahren auf dem Buckel. Goldy war schon als Jährling eine Rakete, aber ich träumte noch von seiner glorreichen Zukunft als Showpferd. Wir schwebten auf Wolke 7. Ich malte mir unsere gemeinsamen Auftritte vor Publikum aus. Goldy ist in der Bodenarbeit ein Ausnahmetalent. Geboren, um sich zu präsentieren. Hochintelligent. Lebhaft und verspielt. Dazu noch eine wahre Augenweide.
Die Zeiten änderten sich als er zu mir in die „ernsthafte“ Ausbildung als Reitpferd kam. Er war kaum zu bändigen. Ein Gefühl als würde man eine geladene Weidezaunlitze anfassen. Meine Träume bekam die ersten Risse. Wie bei jedem Pferd zuvor. Welldone – Sehnenschaden. Cameron – Kissing Spines. Riverbank – Beinbruch bzw. Einschläfern.
Goldy wurde vorbildlich von mir ausgebildet. Erst am Boden mit Bodenarbeit und Spaziergängen. Danach unheimlich langsam unter dem Sattel. Seine geladene Art war kaum auszuhalten – auch im Stall drehte er am Rad. Zu den Herausforderungen im Umgang kam das Koppen hinzu. Ein für mich filmreifer Weltuntergang. Die kleinen Risse in meiner heilen Welt wurden zu Kluften. Die Fragen nach dem Wieso verfolgte mich Tag für Tag. Sein Koppen machte mich wahnsinnig. Ich ertrug den Anblick kaum. Weinte. Fluchte. Jammerte.
Wie habe ich das verdient?
Diese Fragen quälte mich unablässig. Wie ein Dorn in der Fusssohle. Natürlich nahm Goldy jeder meiner Emotionen auf. Wusste nicht, weshalb er mich verärgerte. Dauerhaft genervt mutierte ich zu einer Glucke. Beobachtete ihn unaufhörlich. Machte mir Sorgen. Dies ging über fast 3 Jahre. Ich erfand die Welt neu, aber nichts half. Langsam und unbemerkt kroch die Frustration in mir hoch. Nistete sich gemütlich in mir ein. Vergiftete die Beziehung zwischen Goldy und mir. Glaubt mir, dass ich wirklich versucht habe Distanz zu unseren Schwierigkeiten zu gewinnen. Dennoch kann ein Mensch das Pferd perfekt behandeln, aber es fühlt die wahren Emotionen des Besitzers.
Ich habe mein Pferd verhaltensgestört gemacht.
Worte die mich bis heute zutiefst treffen. Wie ein Stich ins Herz. Zwischen den Zeilen habe ich dies von Mitmenschen hören dürfen. Habe es mir selbst vorgeworfen. Andererseits wurde mir gesagt, dass es einfach „fragile“ Pferde gibt. Dies hat keinen wirklichen Grund und diese seien damit geboren. Ich weigerte mich über all diese Jahre mich damit zufrieden zu geben. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass ich Goldy „zerstört“ habe. Wie auch? Ebenfalls gibt es dafür auch nicht nur „angeborene“ Gründe. Niemals. Goldy ist innerlich zwar überaus zart besaitet, aber zeigte sich in jeder Situation belastbar.
Die wundervolle Blüte der Freundschaft verwelkte.
Ich gab nicht auf zu Suchen. Gab nicht auf meinem Bauchgefühl zu trauen. Kehrte trotz Irreführung anderer immer wieder auf meinen Weg zurück. Ich probierte abertausende Möglichkeiten aus um Goldys Leben zu erleichtern. Ich las Studien, bis mein Hirn zu verbrennen drohte. Kontaktierte Experten. Ich lies Therapeuten, Trainerinnen sowie Tierärzte antraben. Dennoch stand ich ohne Fortschritte da. Hatte immer noch ein ADHS Pony. Er koppte immer stärker. Durchfall. Kolikanzeichen. Er wurde immer wilder unter dem Sattel. Wir machten uns zunehmend unbeliebt in der Reitergesellschaft. Unsere zuvor beflügelte Beziehung zueinander wurde träge und düster. Goldy meinte, dass er mich nicht genügte. Mit der Zeit wendete er sich immer mehr von mir ab. Wir sprachen plötzlich nicht mehr die gleiche Sprache. Genossen die gemeinsame Zeit immer weniger.
Der Nebel lichtete sich.
Danke an meinen Genpool, dass ich hartnäckig war. Danke, dass ich die Situation nicht einfach akzeptiert habe. Manchmal braucht es auch einen Schulterklopfer an sich selbst. Obwohl sich das nicht wie ein roter Faden durch diesen Text herauslesen lässt – ich liebe diesen Kerl. Es kam dieser Tag, welcher ich nie wieder vergessen werde. Eine meiner Followerin meinte, dass Goldy PSSM haben könnte. Damit habe ich mich lange auseinandergesetzt, aber die zu lesenden Symptome passten nicht zu ihm. Dazu ist ein Quarter Horse eigentlich bei jeder guter Zucht mit einem 5-Panel-Test getestet. Kurzum – ich testete Goldy auf PSSM1 sowie PSSM2 und er war PSSM1 positiv.
Ich bin nicht die Böse.
Ich habe mich noch nie so sehr über eine Krankheit gefreut wie damals. Dem Himmel sei’s getrommelt und gepfiffen. Ich braucht zwar ein gutes Jahr bis ich das PSSM bei Goldy händeln konnte – aber ich hatte endlich den Grund gefunden. Ich machte mich auf in den Kampf gegen das Böse.
Rückblick mit Gewissensbissen
Mir tut es leid, dass ich ihm das Gefühl gab einen Klotz am Bein zu sein. Mir tut es leid, dass ich seine Sprache nicht verstand. Zurück mit uns aufs Startfeld. Wir begannen das Spiel des Lebens von vorne. Natürlich gab es noch ein paar Einbrüche meines Durchhaltewillens, weil sich durch die Diagnose nicht alle seine Probleme auflösten. Doch reflektierte ich meine Reaktionen Tag für Tag. Ich akzeptierte seine Krankheit. Akzeptierte sein Koppen. Verabschiedete mich von meiner inneren Helikopter-Mama.
Ich lernte wieder zu geniessen, anstatt mich andauernd, um ihn zu sorgen. Goldy ist ein zäher Kerl. Es brauchte Zeit, dass Goldy das Reiten nicht mit Muskelschmerzen verknüpfte. Manchmal schaue ich in seine eisblauen Augen und denke mir, dass wir in 3 Jahren schon einmal durch die Hölle und zurückmussten. Drei verflucht lange Jahre. Seit über zwei Monaten haben wir keine Probleme mehr. Goldy koppt weniger. Er ist ausgeglichen im Gelände und seelenruhig im Stall. Wir geniessen die Ausritte am konstant langen Zügel. Siehe da – ich sehe nun seinen „wahren“ Charakter. Er wäre nicht spinnig oder gefährlich ohne das PSSM. Er würde nicht Koppen ohne die vorhergehenden Schmerzen. Es ist ein Rattenschwanz. Vorher war ich eine Trainerin ohne ein komplexes Wissen der Pferdegesundheit. Heute kann ich dank Goldy, ein Pferd durch Bodenarbeit sowie alternativen Therapiemethoden auch von innen zur Linderung verhelfen.
Goldy begrüsst mich wieder Tag für Tag mit einem freundlichen „Blubbern“. Er freut sich darüber, dass er endlich wieder flotte Ausritte geniessen darf. Mittlerweile arbeiten wir auch wieder in der Halle. Die Sorgenfalten auf der Stirn wurden zu Lachfalten um meine Augen. Nun hoffe ich, dass wir gleichermassen den Winter überstehen. Ohne grosse Rückfälle. Dies ist unsere letzte grosse Probe des Lebens.
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